Im ersten Forschungskolloquium im Wintersemester 23/24 des REZ durften sich zwei Realexperimente aus dem Reallabor Klima-RT-LAB vorstellen.
Technoökonomische Bewertung eines Bündels von Modernisierungsmaßnahmen für ein Nichtwohngebäude
Tim Schaffitzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Uni Stuttgart, stellte aus Realexperiment C „Gebäude“ einen Vergleich zweier Szenarien zur technoökonomischen Bewertung von Bündeln von Modernisierungsmaßnahmen bei Nichtwohngebäuden vor. Dabei wurde der Einfluss von Zeitpunkt und Reihenfolge der Umsetzung der Modernisierungsmaßnahmen betrachtet. In den Szenarien wurden zudem die Anteile der Einzelmaßnahmen am Gesamtinvest und der Betriebskosteneinsparung dargestellt. Die Einzelmaßnahmen sind: Die Sanierung des Daches, der Außenwand sowie der Fenster; außerdem ein Technologie- und Energieträgerwechsel von einem Heizölkessel zu einer Luft-Wasser-Wärmepumpe.
Im Szenario 1 „Refurbishment first“ wurde zunächst eine vollständige Sanierung mit einem anschließenden Energieträgerwechsel vorgenommen. Bei gleichbleibendem Energieträger (Heizöl) gehen nach Sanierung sowohl Heizwärmebedarf als auch CO2-Emissionen in gleichem Maße zurück. Durch den Energieträgerwechsel werden„nur“ die CO2-Emissionen gesenkt (siehe Abbildung 1).
Im Szenario 2 „change heat technology first“ wurde zunächst der Energieträgerwechsel und anschließend die Sanierung schrittweise vorgenommen. Der Zielzustand ist zum Szenario 1 identisch, wird aber später erreicht. Durch die spätere Sanierung der Außenwand und der Fenster sinken die dadurch bedingten Betriebskosteneinsparungen, die Betriebskosteneinsparung der Dachsanierung steigt etwas, da sie allein als erstes und nur wenig später umgesetzt wird. Je später die Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden, desto geringer fällt die CO2-Emissionsminderung aus (siehe Abbildung 2).
Das Konzept Abwasserwärme
Christine Widmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Reutlinger Energiezentrum der Hochschule Reutlingen, berichtete über die aktuellen Überlegungen bezüglich der Potenziale, Konzepte und Umsetzung der Abwasserwärme im Konzern Stadt Reutlingen. Die Abwärme des Abwassers kann mittels einer Wärmepumpe entweder durch Wärmetauscher-Bleche im Kanal (siehe Abbildung 3) oder durch Ausbauleitwerke in Quartieren oder einzelnen Gebäuden genutzt werden.
Das Thema Abwasserwärme hat in Reutlingen bereits Geschichte. Das Klima-RT-Lab nimmt diesen Faden in Realexperiment B wieder auf. Doch wieso überhaupt Abwasserwärme? Dafür gibt es zwei gute Gründe:
– Abwasser hat im Vergleich zu Luft über das Jahr eine konstant hohe Temperatur als Quelle für Wärmepumpen
– Abwasser ist einheimische, langfristig sichere und regenerative Energiequelle
Alternativ zur Abwasserwärmenutzung im Kanal besteht die Möglichkeit des Einbaus eines Wärmetauschers nach der letzten Reinigungsstufe im Klärwerk.Es wird also Wärme dem geklärten Abwasser entzogen. Vorteilhaft wäre an dieser Möglichkeit, dass sich die Wärmenutzung nach dem Klärprozess vollzieht. Die Temperatur nach dem Wärmetauscher kann geringer sein, als bei einer Nutzung im Kanal. Zudem sind keine Einbauten im Abwasserkanal nötig, womit eine Querschnittsverkleinerung des Kanals vermieden werden kann. Nachteilig wäre dabei, dass die erzeugte Wärme zum Wärmenetz transportiert werden muss; dabei können Energieverluste entstehen. Zudem müsste eine Trassierung geplant werden.
Das Potenzial der Abwasserwärmenutzung
Durch eine Abwasser-Wärmepumpe am Klärwerk könnte die bestehende Erzeugung des Fernwärmenetzes von gasbefeuerten BHKW und Kessel um bis 60% verdrängt werden (siehe Abbildung 4). Dies entspräche einer Einsparung von ca. 15.000 t CO2/Jahr. In den Sommermonaten kann die Wärmedeckung der Fernwärme rein durch die Abwasser-Wärmepumpe sichergestellt werden.
Die Umsetzung einer Abwasser-Wärmepumpe
Ein Learning aus der Potenzialermittlung zu Abwasserwärme: Ja, Abwasser kann ein entscheidender Baustein für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung sein, aber nicht für jedes bestehende Wärmenetz gibt es Abwasserwärmepotenzial. Die Abstimmungen und Vereinbarungen zwischen dem Abwasserentsorger und dem Wärmeversorger stellen bei der Umsetzung eine zentrale Herausforderung dar. Es entstehen diverse Treiber und Hemmnisse technisch-wirtschaftlicher, informations- und kompetenzbezogener und regulatorisch-organisationaler Natur. Insbesondere an den Hemmnissen wird im Klima-RT-LAB gemeinsam mit den beteiligten Akteuren gearbeitet, um baldmöglichst eine Pilotanlage in Reutlingen bauen zu können.