Transformationsfahrplan für die Turn- und Festhalle Oferdingen: Mit einem Bündel an Maßnahmen über mehrere Jahre verteilt zum klimaneutralen Gebäude im Betrieb
Hintergrund
Für die Wärmeversorgung von Gebäuden nehmen in Zukunft Fernwärme und Wärmepumpen eine Schlüsselrolle ein. Bei Gebäuden ohne Perspektive auf einen Fernwärmeanschluss muss daher häufig ein Bündel an Modernisierungsmaßnahmen ermittelt werden, welches Maßnahmen zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz (Sanierung der Gebäudehülle, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung) und Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Wärmebereitstellung (Wärmeerzeugerwechsel) in Einklang bringt. Öffentliche Gebäude haben nach § 5 des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes Baden-Württemberg eine Vorbildfunktion. Somit steht auch das Gebäudemanagement Reutlingen vor der Aufgabe gebäudeindividuelle Konzepte für seine Gebäude abseits des Fernwärmenetzes zu entwickeln.
Fallstudie im Klima-RT-LAB
In Realexperiment C des Reallabors Klima-RT-LAB wird sich dieser Themenstellung anhand von Beispielgebäuden angenommen, wobei die Hochschule Reutlingen, das Gebäudemanagement der Stadtverwaltung Reutlingen und das IER der Universität Stuttgart eng zusammenarbeiten. Das Bezirksrathaus Bronnweiler wurde in der Vergangenheit bereits betrachtet. Im Folgenden geht es um die Turn- und Festhalle in Oferdingen.
Betrachtete Maßnahmen
Das betrachtete Maßnahmenbündel umfasst die Sanierung der Gebäudehülle, eine neue Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und ein hybrides Wärmepumpensystem. Da in Hallengebäuden die Wärmeverteilung oft zu großen Teilen über eine Lüftungsanlage erfolgt und nicht ausschließlich über Heizkörper, führt neben den klassischen Sanierungsmaßnahmen (Dach, Außenwand, Fenster) auch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG) zu einer Senkung des Raumwärmebedarfs. Für die Wärmebereitstellung wird die Möglichkeit eines hybriden Wärmepumpensystems untersucht. Das bedeutet, dass der vorhandene, fossil befeuerte Heizkessel so lange zur Deckung der Restheizlast betrieben wird, bis energetische Modernisierungsmaßnahmen den Raumwärmebedarf so weit reduziert haben, dass er ausschließlich durch die neue Wärmepumpe gedeckt werden kann.
Szenarien
Wenn nicht alle Modernisierungsmaßnahmen auf einmal umgesetzt werden, weil die Stadt Reutlingen pro Jahr nur begrenzte finanzielle Mittel für die Gebäudesanierung aufwenden kann, gibt es viele Möglichkeiten in Bezug auf Reihenfolge und Bündelung. Die Berechnungen wurden für drei Szenarien durchgeführt, von denen jedes eine realistische und sinnvolle Möglichkeit beschreibt (siehe Abbildung). Zum Beispiel sollte die Dachsanierung relativ früh umgesetzt werden, um anschließend auch eine Photovoltaik-Anlage zu installieren, welche die Wärmepumpe mit günstigem Strom versorgen kann.

Methodik
Zunächst wurde eine Simulation des Betriebs der hybriden Wärmepumpe in Abhängigkeit des Einflusses der energetischen Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt, welche auch die Auslegung der Wärmepumpe enthält. Für die technoökonomische Analyse aller Modernisierungsmaßnahmen über die Lebensdauer der Anlagen und Materialien wurden die unterschiedlichen Jahresarbeitszahlen (Effizienz der Wärmepumpe) und Deckungsanteile von Wärmepumpe und Ölkessel übergeben. Damit ließen sich ökonomische Größen wie ein Kapitalwert oder die Amortisationsdauer bestimmen, die aussagen, ob und wie wirtschaftlich eine Maßnahme ist.
Ergebnisse und Erkenntnisse
Die meisten Modernisierungsmaßnahmen sind wirtschaftlich, in dem Sinne, dass sich der relevante Invest innerhalb der Lebensdauer durch Energiekosteneinsparungen amortisiert. Ein Teil des Invests wird dabei nicht betrachtet, weil aus diesem keine direkten Energiekosteneinsparungen folgen. Das Gebäudemanagement muss diesen trotzdem aufwenden, um das Gebäude instand und seinen Wert zu (er)halten. Auch Fördermittel können den energetisch wirksamen Invest verringern.
Hybride Wärmepumpensysteme bieten den Vorteil, dass die Wärmepumpe auf den sanierten Zustand des Gebäudes ausgelegt werden kann. Das reduziert den Invest, da für die Wärmepumpe eine geringere thermische Leistung ausreicht. Ein Nachteil ist jedoch, dass der fossile Kessel und die Wärmepumpe für einige Jahre parallel betrieben werden müssen, was zusätzlichen Platz erfordert und sie arbeiten noch wirtschaftlicher, wenn sie nicht hybrid betrieben werden. Lüftungsanlagen sind neben der Sanierung der Gebäudehülle eine weitere wichtige Maßnahme zur Senkung des Raumwärmebedarfs.
Die Analysen und Berechnungen zeigen, dass eine gute und vorausschauende Planung wichtig ist, um die Modernisierungsmaßnahmen effizient umzusetzen. Der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Maßnahmen sollten an die finanziellen Möglichkeiten und die baulichen Gegebenheiten angepasst werden. Eine Kombination von Sanierungsmaßnahmen mit einer Wärmepumpe kann besonders effektiv sein, da sie schnell große Energie- und Kosteneinsparungen sowie CO2-Reduktionen ermöglicht.
Autor: Tim Schaffitzel, Teilprojektleiter des Realexperiments C, IER Universität Stuttgart