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Realexperiment C: Gebäude und Infrastruktur: Technik / Verhalten

Der städtische Gebäudebestand und Neubauten sollen auf Klimaneutralität ausgerichtet werden. Während für den Neubau Leitlinien für klimagerechtes Neu-Bauen erarbeitet und verabschiedet werden sollen, werden beim Gebäudebestand Sanierungsstrategien entwickelt. Ziel beim Bestand ist es, Sanierungskonzepte für das gesamte Liegenschaftsportfolio und für beispielhafte Gebäude zu entwickeln. Dabei werden die Mieter und Mieterinnen aktiv mit einbezogen. Es besteht ein starker Bezug zu Realexperiment B, da viele Gebäude in Reutlingen mit Fernwärme versorgt werden.

Kontakt:
Tim Schaffitzel
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) – Uni Stuttgart

Komponenten des Realexperimentes C

Der Gebäudebestand in einer Konzern Stadt ist sowohl in Bezug auf die Gebäude selbst als auch die Gebäudeeigentümer sehr heterogen, weshalb verschiedene Schwerpunkte in den Untersuchungen gesetzt wurden. Im Hinblick auf Neubauten wurde gezeigt, dass möglichst geringe Kosten für die Energieversorgung mit einem ambitionierten Gebäudestandard erreicht werden können, welcher einen höheren Invest erfordert als eine rein kostengünstige Bauweise. Die Lebenszykluskostenanalyse erlaubt die langfristige Minimierung der Gesamtkosten und schafft Kostentransparenz. Bei der ambitionierten Entwicklung der Leitlinie für klimagerechte Neubauten wurden die Projektpartner zusehends mit den Schwierigkeiten der Anwendung konfrontiert. Der hehre Anspruch eines übergeordneten Leitbildes für alle Neubauten ließ sich nicht hinreichend vereinbaren. – gerade die vorgenommene Berücksichtigung der Vielzahl unterschiedlicher Akteur:innen, Interessen, Gebäudetypen ,spezifischer Gegebenheiten und Voraussetzungen verhinderte eine nutzenbringende Anwendung. Allgemein und über dieses Realexperiment hinaus stellt sich das Bestreben, allgemeingültige Leitlinien bzw. Regelungen für ein breites Anwendungsfeld festzulegen, im Konzern Stadt hemmend dar (vgl. Tabelle 6). Für städtische Nicht-Wohngebäude wurde der Einsatz einer hybriden Wärmepumpe im Zusammenspiel mit verschiedenen Sanierungsmaßnahmen bei Variation der Maßnahmenreihenfolge untersucht. Die Wärmepumpe kann hierbei auf den Zielgebäudezustand ausgelegt werden. Mit einem solchen Maßnahmenbündel kann langfristig ein klimaneutraler Gebäudezustand erreicht werden mit dem Vorteil, dass die notwendigen Investitionen über einen längeren Zeitraum verteilt werden. Werden Mehrfamilienhäuser modernisiert, wird die Wirtschaftlichkeit der Modernisierungsmaßnahmen von Nutzerverhalten beeinflusst. Dies wurde am Beispiel von vier baugleichen Mehrfamilienhäusern untersucht. Je größer die festgestellte „energy performance gap“ (=Kluft zwischen berechnetem und tatsächlichem Energiebedarf) desto schlechter stellt sich die Wirtschaftlichkeit dar.
Der Bau von Gebäuden sowie deren Unterhalt und Abriss erfordern hohe Investitionen und sind mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden. Aufgrund der langen Lebensdauer von Gebäuden ist davon auszugehen, dass Neubauten der nächsten Jahre auch 2040 und weit darüber hinaus Bestand haben werden. Daher sollen zukünftige Neubauten möglichst schon in der Planung auf Klimaneutralität ausgerichtet werden. Dies betrifft neben der Energieversorgung vor allem die eingesetzten Materialien und deren Wiederverwertbarkeit ohne Wertverlust im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Dank technischer Innovationen und gesetzlicher Vorgaben zur Energieeffizienz gab es in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierliche Verbesserungen. Je effizienter Gebäude in der Betriebsphase werden, desto stärker rückt der signifikante, mit der Herstellung und dem Abriss von Gebäuden verbundene Treibhausgasausstoß in den Fokus. Zentral ist daher eine ganzheitliche, lebenszyklusorientierte Betrachtungsweise. Die Komponente C1 befasst sich mit den Anforderungen an klimaneutrale Neubauten und deren Verankerung in einer Leitlinie sowie der beispielhaften Lebenszykluskostenanalyse für ein Neubauprojekt. Die separate Betrachtung von Neubauten und der Sanierung des Gebäudebestands im Hin-blick auf die Erarbeitung von Leitlinien war Ergebnis des Auftakt-Workshops in Realexperiment C. Grund dafür ist, dass die Handlungsspielräume beim Neubau deutlich größer sind, während bei Sanierungen die bestehende Gebäudestruktur berücksichtigt werden muss sowie Instandhaltung und energetische Sanierung in Einklang gebracht werden müssen. Nach der Erarbeitung einer Entwurfsfassung auf Basis von drei bestehenden Dokumenten aus anderen Kommunen wurde ein Workshop mit den Akteuren, die die größten Gebäudebestände im Stadtkonzern haben sowie dem Amt für Stadtentwicklung und Vermessung durchgeführt. In mehreren Schleifen wurden die Rückmeldungen eingearbeitet und das Dokument hinsichtlich Allgemeingültigkeit und Praxistauglichkeit weiterentwickelt. Eine entsprechende Fassung liegt vor. Die anschließende Einbeziehung weiterer Akteure im Stadtkonzern für einen Konsens der Akteure mit relevanten Gebäudebeständen sowie das Durchlaufen der obligatorischen Verwaltungsprozesse für eine Gemeinderatsvorlage steht zum Ende der Projektlaufzeit noch aus. Ein wichtiger inhaltlicher Bestandteil der Leitlinien für klimagerechte Neubauten ist eine Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Berücksichtigung der Lebenszyklusbetrachtung. Es handelt sich um ein Verfahren, das in der Stadt Reutlingen noch nicht standardmäßig angewandt wird, jedoch zukünftig an Relevanz gewinnen wird. Die Lebenszykluskostenanalyse wurde am Bei-spiel eines Kindergarten-Neubaus sowohl mit einem wissenschaftlichen Tool inklusive Sensitivitätsanalyse zur Identifizierung entscheidender Einflussparameter auf die Lebenszykluskosten als auch mit dem Tool der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) als Beitrag zur geplanten Zertifizierung durchgeführt. Alle Projektpartner sammelten hierbei wichtige Erfahrungen für zukünftige Neubauprojekte.
Die Transformation von Bestandsgebäuden zur Klimaneutralität basiert auf zwei Säulen: Sanierungsmaßnahmen führen zu einer Reduzierung von Wärmeverlusten und Einsparung von Wärmeenergie durch die energetische Optimierung der Gebäudehülle (Fassade, Dach, Fenster, u.a.). Die Erneuerung oder Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien dagegen reduziert den Wärmebedarf weniger, jedoch die entstehenden Treibhausgasemissionen. Aus entsprechenden Maßnahmen, die in den nächsten Jahren getätigt werden, resultiert ein Gebäudezustand, der meist einige Jahrzehnte Bestand hat und damit auch in die Zeit fällt, in der Klimaneutralität erreicht sein soll (2035/2040). Diesen Umstand gilt es bei Transformationsfahrplänen zu berücksichtigen. Dabei stellen die Schließung der sogenannten 'energy performance gap' (Differenz zwischen dem erwarteten und dem tatsächlichen Energieverbrauch) und die Senkung des Energieverbrauchs wichtige Ziele dar. Durch eine Simulationsrechnung der Sanierung des städtischen Gebäudebestands wurde der Zusammenhang zwischen Investitionskosten und resultierender Treibhausgaseinsparung aufgezeigt. Wenn ein bestimmtes Investitionsbudget vorausgesetzt wird, kann dann abgeschätzt werden, welche Treibhausgaseinsparung damit erreicht werden kann. Im Bereich der Wohngebäude der GWG sind im Untersuchungsgebiet, der Aalener Straße im Stadtteil Orschel-Hagen, bereits Sanierungen durchgeführt worden. Diese werden durch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Einbeziehung von Typgebäuden als Referenz bewertet. Weiterhin werden ab Januar 2022 Energieverbrauchsmessungen in ausgewählten Gebäuden durchgeführt. Das Nutzerverhalten wurde in Mieterbefragungen untersucht. Die Ergebnisse wurden in Form eines Fachzeitschriftenartikels (VDI energie+umwelt, Ausgabe 1/2 2024) veröffentlicht. Im Bereich der Nichtwohngebäude wurde ein Bezirksrathaus ausgewählt, um für dieses exemplarisch einen Transformationsplan zu erarbeiten. Bei der Auswahl des Gebäudes wurden Gebäude ohne Fernwärmeanschluss bzw. mit erdgas- oder heizölbasierter Wärmeversorgung und mit besonders hohem spezifischem Wärmeverbrauch, die aus der Sanierungssimulation bereits bekannt waren, in die engere Auswahl gefasst. Ziel ist es, Transformationsfahrpläne zu entwickeln, die das sinnvolle Zusammenspiel aus energetischer Sanierung der Gebäudehülle und der Umstellung der Wärmebereitstellung auf erneuerbare Energien aufzeigen, wobei der Einfluss der Maßnahmenreihenfolge und hybrider Wärmepumpensysteme (Zusammenarbeit mit Realexperiment B) speziell betrachtet werden. Die Methodik basiert auf einer wirtschaftlichen Bewertung der Maßnahmen, die auch eine Kosten-Nutzen-Analyse und die Entwicklung der CO2-Emissionen für unterschiedliche Maßnahmenbündel beinhalten. Die Ergebnisse wurden auf dem 18. Symposium Energieinnovation in Graz im Februar 2024 vorgestellt.
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